Koppeln ist was für Theoretiker

… oder so ähnlich hört man immer wieder. Das Problem ist jedem von uns bekannt: Man gibt sich Mühe, aber irgendwie will es nicht aufgehen. Die Wirklichkeit (die Flugdurchführung) stimmt nicht mit dem Plan (Flugvorbereitung) überein.

Und schon hat jedermann die richtigen Erklärungen zur Hand, zum Beispiel, dass der angegebene Wind sich sowieso nicht genau vorhersagen lasse, oder dass man doch so genau gar nicht fliegen könne. Weiterhin grassieren eine Reihe von Faustformeln, die immer wieder zitiert und gerne verwendet werden und deren Richtigkeit zumindest hinterfragt werden sollten. Schließlich gibt es unterschiedliche Unarten in der Flugdurchführung, die ebenfalls Einfluss auf das Ergebnis haben. Lasst uns die einzelnen Elemente betrachten, bewerten und für uns die richtigen Schlüsse daraus ziehen.

Das wichtigste zuerst, und leider wird es hier ein wenig theoretisch. Aber für das Verständnis der nachfolgenden Betrachtungen ist es wichtig zu verstehen, dass in der Navigation, ebenso wie beinahe allen Dinge in der Natur die meisten Werte, mit denen wir arbeiten, mit zwei unterschiedlichen Arten von Fehlern behaftet sind: Systematische und zufällige Fehler. Zufällige Fehler folgen einer Normalverteilung, gemeinhin „Glockenkurve“ genannt. Das bedeutet, dass der z.B. von uns errechnete Koppelort keine in Stein gemeißelte Wahrheit ist, sondern den Ort mit der größten Aufenthaltswahrscheinlichkeit darstellt. Das bedeutet, dass wir zwar höchstwahrscheinlich nicht genau an der berechneten Position sein werden, aber zumindest irgendwo in der Nähe. Und die Wahrscheinlichkeit unserer tatsächlichen Position nimmt immer mehr ab, je weiter wir uns vom berechneten Ort entfernen. Also noch einmal: Der Koppelort ist zwar nicht unsere tatsächliche Position, kommt dieser aber schon ziemlich nahe …

… außer, wir machen systematische Fehler. Das sind grundsätzliche Fehler in der Durchführung unserer Berechnungen, die den Koppelort in eine bestimmte Richtung verschieben. Ein Beispiel: Bei der Kursermittlung wird die Deviation (DEV) und die Ortsmissweisung (VAR) nicht berücksichtigt. Sind ja auch nur im Gradbereich. So genau können wir nicht fliegen. Also vernachlässigen wir die 1° OM  sowie die in der Deviationstabelle angegebenen 7°  DEV. Und schon ist unser Koppelort auf einer Strecke von 60NM um 8 NM verschoben, bzw. bei einem realistischen Abstand von 15 NM zwischen zwei Checkpunkten wäre der Fehler 2NM (1:60 Regel). Die statistischen Fehler gleichen sich meistens irgendwie aus, aber die systematischen Fehler bleiben erbarmungslos bestehen. Und es wäre schon extrem unwahrscheinlich, dass unser statistischer Fehler zufällig unsere Rechenungenauigkeit ausgleicht. Bei schlechter Sicht hätten wir bei obigem Beispiel also kaum eine Chance, unser visual Fix zu identifizieren. Eigene Schuld.

Hieraus können wir schon das wichtigste Prinzip der Koppelnavigation erkennen — größtmögliche Genauigkeit zur Vermeidung der systematischen Fehler, gegen den Rest können wir nichts machen, aber die machen meist auch viel weniger aus, als wir glauben.

Lasst uns also die Fehler, die auftreten könne, in die beiden Kategorien aufteilen.

Kommen wir zum ersten Punkt, dem Wind. Ich selber bin über Jahre hinweg über diesen Punkt gestolpert. Die älteren unter uns erinnern sich noch an den Anruf beim Wetteronkel, aber die Angaben im GAFOR haben das gleiche Problem: „Mit welchem Wind muss ich rechnen?“ Antwort: „Äääääähhh … rechnen sie mal … ja … so mit 240 Grad mit 15 Knoten!“ Ein zeitgleicher Blick in die Windkarte — wir haben heute ja pc_met, derartige Daten stehen jedem zur Verfügung — offenbart erstaunliches. Mit viel gutem Willen könnte man sagen, dass auf dem geplanten Flug von Mönchengladbach nach Braunschweig der Wind im Mittel so hinkommen könnte, nur leider kommt er am Startort eher aus 270 Grad mit 10, während er im Zielgebiet eher mit 210 Grad mit 20 kommt. Da wir unseren Flug in kleinere Teile unterteilen (auch „Legs“ genannt), passen unsere mit 240/15 errechneten Kurse fast nie. Der Fehler lag hier allerdings in einer unzulässigen Vereinfachung der Ausgangsdaten, also ein systematischer Fehler. In besagtem Fall habe ich mit drei unterschiedlichen Winden gerechnet, und meine Flugdurchführung wich nur im Sekundenbreich von der Planung ab (kein Scherz, tatsächlich so passiert!). Also: Wenn die Möglichkeit besteht, nicht den GAFOR Wert blind nehmen, sondern die Höhenwindkarte konsultieren.

Im Bereich der Kursermittlung haben wir ein paar Punkte schon angesprochen. Die Deviation (δ oder DEV) und Ortsmissweisung (OM oder VAR) wird unbedingt in die Rechnung mit einbezogen. Bei der Flugdurchführung ist zusätzlich auf die regelmäßige Überprüfung des Kurskreisels zu achten. Der Fehler des Kreisels beträgt bis zu 15° pro Stunde bei optimalem Wartungszustand. Bei schlechtem Zustand oder bockigem Wetter, bedingt durch die Lagerreibung, kann der Fehler gerne auch größer sein. Sinnvollerweise wird an jedem Checkpunkt nachgestellt.

Steuerfehler sind meistens kein Problem. Wir halten zwar nie genau den Kurs, aber wir pendeln in der Regel immer um den Zielwert herum, so dass die Fehler sich ausgleichen. Problematisch ist höchstens ein total vertrimmter Flieger, so dass wir immer zu einer Seite abdriften. Hier haben wir einen systematischen Fehler. Hier sollte entweder getrimmt werden (falls vom Cockpit aus möglich), oder nach der nächsten Landung die Bügelkante leicht nachgeboten werden (Preisfrage: Wenn wir nach links trimmen wollen, wohin biegen wir die Kante?).

Die richtige Fahrt ist der nächste Bereich. Jeder Fahrtmesser hat einen Einbaufehler. Allerdings sind die meisten Systeme für den Reiseflug fehlerminimiert und haben die größten Probleme eher im Langsamflug. Das bedeutet für uns, dass wir eventuell bei längeren Steigflügen Fehler machen, aber nicht unbedingt im Reiseflug. Genauere Informationen enthält das Flug- und Betriebshandbuch, das in der Regel eine entsprechende Eichkurve für das geflogene Muster enthält (wir haben doch eine eigene Kopie des Handbuchs, oder?). Die meisten Fehler werden allerdings durch Vernachlässigung der Fahrtmesserkorrektur aufgrund der Dichtehöhe gemacht. Wir erinnern uns dunkel — die angezeigte Geschwindigkeit ist nicht die wahre Eigengeschwindigkeit (Merkwort ICE-T — Indicated, Calibrated, Equivalent, True). Ich will an dieser Stelle nicht auf die Details der Berechnung eingehen, hier sei auf die entsprechende Fachliteratur sowie die Anleitung des verwendeten Navigationsrechners verwiesen. Aber ich empfehle, einfach mal die Probe aufs Exempel zu machen und den Fehler im Koppelort für einen Reiseflug in 6500 ft an einem heißen Sommertag mit 15°C über ISA (International Standard Atmosphere) zu machen. Staunen ist garantiert. Also: Ein weiter systematischer Fehler, der einfach vermieden werden kann.

Präzision beim Einhalten der geplanten Fahrt und dem korrekten Powersetting (Leanen nicht vergessen!) sind natürlich weitere Aspekte, um systematische Fehler zu vermeiden.

Wenn die oben angesprochenen systematischen Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung des Fluges vermieden werden, ist der zu erwartende Positionsfehler bei typischen Abständen der Checkpunkte von 10 bis 15 Minuten minimal. Ich kann nur empfehlen, es einmal selbst auszuprobieren. Es hört sich nach viel Arbeit an, ist letztlich aber nur eine Frage der Übung. Als Konsequenz wird die Flugdurchführung viel entspannter, da wir nur noch gelegentlich die Richtigkeit unserer Berechnungen überprüfen müssen. Auf einmal bleibt Zeit, den Flug zu genießen … versprochen!

Wie immer sind Kommentare, Hinweise und Ergänzungen jederzeit willkommen.

Blue skies … Jens

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